2012-09-01

Inseln.



2012-08-25

Ich befinde mich bei London, Heathrow, um genau zu sein, bekanntester Flughafen des britischen Königreiches, Terminal fünf, Abflughalle B. Gerade noch konnte ich den anderen Südafrika-freiwilligen 'adios' sagen und in Abflughalle C Abschied winken. Denn ich werde nicht mit ihnen zusammen fliegen, sondern einzeln (die Separation erfolgte nicht durch meine Intervention).
Mein Transfer von C nach B zurück war ein Abenteuer in die unteren Gedärme eines sehr großen Flughafens. Zur Größe lässt sich ergänzen, dass, wer das schnöde Tegel oder das alte Schönefeld kennt, vor Ehrfurcht wie paralysiert vor Heathrow stehen muss; und ich möchte eigentlich nicht alsbald derjenige sein, der angesichts vom Chicagoer Flughafen mehrere Hüte zieht, da dieser laut der Erzählung ein noch größeres Areal hat mit Terminals, die nur einer Fluggesellschaft gehören.
Zurück zu den unteren Ebenen eines Großflughafens. Als ich die freundliche Frau vom Service nach einem Rückweg fragte, wies sie mich an, den Fußweg zu nutzen, statt die sonst übliche Schnellbahn zu nehmen, da ich ansonsten erneut in die Sicherheitskontrolle geriete, die ich aber schon zuvor passiert hatte.
So fuhr ich mit ausschweifend langer Rolltreppe in die Tiefe und folgte einem Notausgangszeichen, unter dem eine automatische Tür sich gleitend öffnete. Erst zögerlich, dann forschen Schrittes ging ich durch sie hindurch und stand auf einmal in einem Gang, der seltsam düster, durch Schwarzlicht und sanfte orangene Leuchten illuminiert war.
Niemand war darin außer ich. Und die Tür schloss sich hinter mir. Fern vom Lärm der Ansagen, vom steten Rauschen der Flughallen, der Reinigungsvehikel, der Angestellten, die so dringend das unglaublich günstige Parfüm an Mann und Frau bringen müssen, vorbei das Geräusch tapsender Schritte, nur das leichte Flüstern der Belüftungen und das kaum hörbare Klickern der Datenkabeldioden.
Ich fand: die Einsamkeit eines Flughafens, eines reinen Funktionsbaus, die vermutlich nur denjenigen zuteil wird, die in der Nacht hier ihre Runden drehen.
Natürlich wurde ich überwacht, das aber dezent durch 360-Grad-Kameras, die im Abstand von 15 Metern die Decke zierten.
Erst nachdem ich bereits einen großen Teil des Fußwegs hinter mich gebracht hatte, begegnete ich Mensch-Maschinen. In einem piepsenden Elektroauto, mit dessen Geschwindigkeit ich leicht Schritt halten konnte, saßen zwei Personen, die transportiert werden mussten und ein Transporteur, der nicht mehr leisten musste, als anwesend und wach zu sein.
Und erst kurz vor der zweiten Schleuse lief mir Sicherheitspersonal vor die Füße, ließ mich aber in Ruhe, da ich bis auf geringes und fasziniertes Schauen keinerlei Anstalten machte, Feuerlöscher auszuprobieren oder verbotene Türen aufzumachen. Trotz meiner Gehorsamkeit fand meine Fantasie Wege, die Hintergründe dieser Türen zu illustrieren. Assoziationen zu Alice im Wunderland wurden laut.
Der Gang allein war still. Und auch die Gerüche einzigartig und unerwartet. Die Reinigungsmittel des Laminats waren wahrzunehmen, darüber die Düfte warmer Elektronik, Kabelschächten, Belüftungsanlagen.
Das Alleinsein, die Stille, die Gerüche, das Geheimnisvolle, alles zusammen umsorgte mich wohlig mit Eindruck und Anreiz. Katakomben, Gedärme, Schläuche, utopisches Innen von Raumschiffen.

2012-08-30

Mein erster Sonntag in Jozi. Nach geglücktem Flug, korrekt etikettierten und bis hierhin durchgekoppelten Gepäck, entkomme ich dem Hafen und schiffe mich sogleich wieder ein in das Meer der Motorisierung. Willkommen in Südafrika!
ORIEL fährt mich nach BEZ VALLEY in eine Insel europäischen Glaubens und der dazugehörigen Werte und in enge, gute Nachbarschaft. Der Dominikanerinnen-Konvent nimmt uns deutschsprachig und äußerst freundlich auf, versorgt uns, gibt uns Schutz durch Zaun und Garten.
In der Nacht wummern die Bässe der uns umgebenden Musikanlagen und hinaus gehe ich nur deshalb nicht, weil ich zu müde bin und meine Neugier dadurch gedämpft. Und natürlich, wie könnte ich es vergessen, weil ich mich noch nicht sicher genug fühlen kann, um die Lage abzuschätzen. So wird mir zumindest stets begegnet. [Wann werde ich wohl dazu in der Lage sein? Die Antwort auf das Verhältnis von Theorie und Praxis fällt mir ein.]

2012-08-30

Ich träumte, ich müsste zu einem Schwimmtraining. Ich war spät und die vorgegebene Zeit erreichte ich nicht mehr. Ich ging zum Trainer, die anderen, identitätslosen Schwimmer schwammen bereits im Becken, und beichtete meine Verspätung und meinen Wunsch, anfangen zu dürfen. Der Trainer wies mir die Parallelhalle zu, die sich hinter einer Tür befinde. Anfänger müssen dort hin, versicherte er mir. Ich ging, durchschritt die Tür, fand aber kein Schwimmbecken, stattdessen eine Art Lagerraum.
Ich hielt inne und wusste damit nichts anzufangen. Erst nach einer kurzen Weile stellte ich die tropische Wärme und Feuchte des Raumes fest, und dann, dass ich nicht allein war.
Frösche. Frösche in allen Größe und Farben neigten sich vorsichtig, doch neugierig aus ihren Verstecken, um mich zu begrüßen.
Ich ließ es geschehen, denn ich bin wohlgeneigt den Wesen, die mir mit Neugier begegnen.
Sie kamen näher und näher und schließlich, als sie vor mir waren, hüpften sie auf mich, krabbelten und taperten mit ihren Füßchen von unten nach oben, ganz so, als müssten sie mich erst überqueren, um mich zu verstehen, zu akzeptieren. Auch das war für mich mit keinem Übel verbunden. Dann aber wollte ich mich bewegen und plötzlich, als wäre das Gegenteil der Bewegung eingetreten, ging gar nichts mehr, ich bewegte mich keinen Zentimeter mehr, ich war paralysiert. Ich ängstigte mich nicht, doch ich fühlte Schmerz in einem meiner Beine. Ich schaute auf meinen linken Oberschenkel, auf dem ein recht dicker, großer Frosch festsaß, aber nicht ausschaute, als hätte er verantwortlich gezeichnete für die Paralyse. Dann schaute ich auf meinen rechten Oberschenkel und dort saß ein kleiner Frosch recht fest im Sattel, klammerte sich an mein Bein, biss hinein und starrte mich an. Seitdem ich die Paralyse festgestellt hatte, wollte ich mich um jeden Preis aus ihr heraus wringen, sie abschütteln, um endlich wieder frei gehen zu können. Als ich aber den kleinen Frosch verängstigt dort sitzen sah, wurde mir klar, dass zwar er für meine Unbeweglichkeit zuständig, aber ich der eigentlich Auslöser des Ganzen war. Durch meine Ruckartigkeit, meine für ihn hektische Bewegung musste er fürchten, verletzt zu werden und krampfte sich fest, biss zu.
Erst mit dieser Erkenntnis des Träumers geschah die Katharsis: ich löste mich vom Willen zur Bewegung. Ich ließ wieder geschehen, so wie vorhin schon, als die Frösche näher kamen. Daraufhin ließ auch der kleine Frosch los und sprang ab, mich beweglich und gesund zurück lassend.
Es gibt wohl Momente, in denen das Innehalten Bewegung bedeutet. Auch für mich.     
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