2012-08-15

Update: Postkartenaktion. Oder: Altgewordenes.


Derweil die Zeit stets näher rückt, da ich Deutschland den Rücken kehre, möchte ich eine Aktualisierung zu meiner Sammlung privater Spendengelder, verteilt auf möglichst viele Schultern, schreiben.

Das Projekt funktioniert nicht.

So simpel, so wahr, so lehrreich die Erfahrung. Die Postkarte, so der nicht-spendende Mensch, habe ausgedient, sie ist ein Medium, dem keine glorreiche Zukunft mehr prophezeiht wird. Auf die meisten meiner Anfragen erhielt ich eine prompte Ablehnung. So geschehen in Greifswald, einer Stadt, in der der prototypische Ladenbesitzer mir ein freundliches "generell eher nicht" zur Antwort gab oder in Strausberg, wo der gemeine Strausberger in vollendeter Lakonie "nein" sagte.

Ein paar Kuriositäten durfte ich kennen lernen, wie den jungen Mann, der zwar genauso, wie all die anderen "nein" sagte, aber darauf verwies, dass er sich erinnere, dass sein Bruder früher an der Zimmertür Postkarten zu hängen hatte. Er rief diesen an, musste mir aber enttäuschend und entschuldigend sagen, dass sein Bruder seit einiger Zeit von Postkarten zu Plüsch-Giraffen gewechselt hätte.

Oder die eine Frau, die in mir ihren Enkel sah, der vielleicht genauso wie ich irgendwann einmal da stünde und irgendetwas an die Frau/den Mann bringen wollte. Sie spendete mir ihren Einkaufswagen-Euro und fügte hinzu, dass sie an den Postkarten das geringste Interesse hätte. Und nahm keine.
Die andere Frau, von der ich zwei Euro erhielt, erzählte in einem Satz, dass sie vier Jahre in Mosambik gelebt hätte und aus alter Solidarität nun spendete. Auch sie empfand die Wahl einer Postkarte eher als Belästigung denn als Geschenk.

Ein dritte Frau berichtete, dass sie zwar gern spendete, aber nach dem Spendenskandal, der auf den Tsunami 2004 folgte, nicht mehr bereit sei, Vertrauen irgendeinem Wildfremden auszusprechen. Wer wisse denn, was mit dem Geld geschehe?
Und da erinnerte ich mich spätestens daran, dass meine Zielgruppenanalyse wirklich nicht weit gediehen war, denn ich setzte auf Menschen, die sowohl Postkarten schreiben (eine mittlerweile schrumpfende Gruppe von anscheinend Wenigen), als auch Zugang zum Internet haben (in Kombination: extrem Wenige).
Die Postkarte als appetizer und das Internet zur Vertrauensbildung, da ich ja auf Spenden schriftlich zu reagieren versprach. Es hätte so gut werden können: win-win und Anreizsystem. Auf der einen Seite der Spender, der zusehen kann, wie er teil-öffentliche Aufmerksamkeit als Belohnung und die Postkarte erhält, die auch ihrerseits im privaten Kreise weiter gereicht werden hätte können; und ich auf der anderen Seite, der in der Spende Anlass sieht, einen Text zu einem Motiv zu liefern, das der Spender dereinst wählte.

Ich will nicht jammern. Aber bedauern. Denn in meinen fossilhaften Augen, so muss ich erkennen, ist die Postkarte ein Medium, das ich viel zu gern bemühe um einer irgendwie gearteten Kreativität Ausdruck zu verleihen - als dass ich es je aufgeben wollte. Stellte die Post in betriebswirtschaftlicher Manier fest, es lohne nicht mehr, Postkartenbriefmarken zu drucken, ich weinte darum!

Meine Liste an Vorteilen, die für den regelmäßigen Gebrauch dieser frühen, kostengünstigen Reise- bzw. Urlaubs-karten sprechen:
Die Motive können selbst gestaltet werden (keiner muss Postkarten kaufen) und werden gerne vom Empfänger überinterpretiert und führen spätestens bei der nächstbesten Begegnung zur Nachfrage, was ich mit ihnen denn auszudrücken gedacht hätte.
Der Text - der weit mehr als die 160 Zeichen einer neumodernen Kurznachricht ermöglicht - transportierte für mich bereits zusammengefaltete Textausdrucke, Geschenkschleifen auf Pappkarton, Schreibmaschinentypo, Handgekrakeltes, Zitate, ausgeschnittene Zeitungsbuchstaben, Einladungen, Glückwünsche, viel zu kurze und daher offene, ambiguitive Nachrichten, Liebesdinge, analoge Hyperlinks usf.
Die Vermischung beider Ebenen ist für mich mehr als die Multimedianachricht des Mobiltelefons: die persönliche Dringlichkeit spricht durch die Haptik und im besten Fall durch die Handschrift. Und: die Meisten, so meine Erfahrung, wünschen doch mehr in ihrem Briefkasten als Rechnungsschreiben und Werbung.

In Anbetracht meiner baldigen Abreise und daher den wenigen Gelegenheiten, in denen ich öffentlichen Raum betrete, um Spendengelder einzusammeln, stelle ich meine Motivsammlung online. Sie ist in ein Google-Picasa-Album (.jpg-Format) gespeichert und über diesen Link zu erreichen. Sie enthält eigene Fotos aus Basel, Berlin, Buenos Aires, Dresden, Franken, Göteborg, Istanbul, Jerusalem, La Rochelle, London, Ölü Deniz, Petra, Prag, Strausberg, Tel Aviv und viele über die Jahre gesammelte Motive aus Zeitungen und Magazinen und anderen (Werbe-)Postkarten.

Wer will, äußert Motivwünsche, ich sende daraufhin die gewünschte Karte per Brief. Spenden sind natürlich, wie schon zuvor, erwünscht.
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