2012-03-07

Isländische Ansichten und Beckersche Eindrücke. Oder: Apriori ins Aposteriori.

(Screenshot "Aus Politik und Zeitgeschichte. Südafrika", bpb, 1/10, 28.12.2009, abgerufen von URL http://www.bpb.de/publikationen/WIUXU3,0,0,S%FCdafrika.html)

Nachdem ich gestern mit zwei Personen über ihre südafrikanischen Erfahrungen sprach, möchte ich sie heute erinnernd wiedergeben. 
Die erste Begegnung war zufällig und  durch das attraktiv-frittierte Großmengenessen der Studentenstadt inspiriert, die andere geplant gesundheitsorientiert, dem gesprächigen Laufen verpflichtet. Gegensätze also, die die Balance eines Tages ausmachen.
Die mir bekannte, perfekt deutsch-sprechende Isländerin fasste ihre zweimonatigen Erfahrungen in Südafrika als "krass" zusammen. Nur um hinzuzufügen, dass ich nicht so sehr auf Andere hören solle, sondern vielmehr auf mich und meine sich gewiss einstellenden Erfahrungswerte. Als ich ihr vom Konstruktivismus sprach und der darin zu findenden Aussage, dass selbst dieses kleine, genannte Adjektiv Welten der Illusion und Imagination eröffneten, entlockte ich ihr doch ein paar ergänzende Worte. 
Sie erzählte, dass sie sich nie unwohler in gesellschaftlichen und nie wohler in natürlichen Kontexten gefühlt hätte. Zum einen hätte sie es als sehr künstlich und gegen den inneren Impuls des Helfens gerichtet, empfunden, z.B. an Straßenrändern liegen gebliebene Autos samt stehenden Menschen zu ignorieren. Warum Ignoranz und Flucht statt Stopp und Hilfe? Weil eine äußerst hohe Kriminalität und dazu eine "pervers hohe Vergewaltigungsquote" jedes Alarmsystem des aufgeklärten Bewusstseins einschalten sollten. Der Gegensatz, die Natur, könne nicht weiter entfernt von dieser abschreckenden, kulturellen Gefahr sein: es wäre vollkommen klar, so ihre Worte, warum sich Menschen in dieser Weltgegend nieder gelassen hätten, denn es seien Orte darunter, an denen Gott die Erde geküsst hätte. 
Dennoch galt der isländischen Bekannten, dass der Preis der sicherheitsgebundenen Unfreiheit ein zu großer sei, um dauerhaft dort leben zu können. Ihre unangenehme Unruhe verschwand erst, als sie die Grenze zu  einem Nachbarland querte.

Die andere Erzählung erhielt ich von 00-Becker, einem ausgemachten Weltreisespezialisten. Südafrika sei als Ganzes ein Höhepunkt seiner Reisen gewesen (des Weiteren besuchte er Argentinien, Uruguay, Bolivien und Peru, zuvor auch schon Neuseeland und Australien). Er war fasziniert von diesem kontrastreichen Land, den spürbaren Spannungen, aber auch und vor allem dem Natur-Reichtum. Er berichtete von durstigem Streckenwandern, zu nahe kommenden, nächtlichen Elefantenherden und abgelegenen Gebieten im Krüger-Nationalpark (Näheres hier), von Townships (hier und hier), reichen Weißen, latentem Rassismus und neuen Geschäftspraktiken der Sicherheitsdienstleistungsbranche ("Für zwei Rand passe ich auf Dein Auto auf. Wenn Du nicht zahlst, kann ich für die Scheiben nicht garantieren"). Auf unserer sportlichen Ryck-tour sprachen wir ferner über kulinarische Köstlichkeiten, insbesondere Fleischgerichte ("Die haben alles!, jedes Tier ist dort essbar."), und die zumindest theoretisch denkbaren Möglichkeiten des in der Praxis scheinbar aussichtslosen Versuchs, meinen Vegetarismus beibehalten zu können. 

Meine vorläufigen Gedanken: ich kann nicht anders, als mir diese erzählten Eindrücke vorzustellen, sie in mein ohnehin vorhandenes Bild Südafrikas zu integrieren. Schrecken sie mich ab? Locken sie mich an? Beides gilt. 
Ich kann die isländischen Ansichten, mit dem Fokus auf Menschlich-Interaktionelles, nachvollziehen und glaube dennoch an die auch mich befallende Faszination der von beiden geteilten, aber in der Beckerschen Welt dominierenden Natureindrücke. 
Vielleicht ist der hier gesetzte, sprachliche Unterschied der Entscheidende: während ich mit Achtung und Vorsicht, den mich zurück haltenden Tendenzen in mir, voran schreite, die Warnungen höre, umarme ich neugierig, das Beste glaubend und hoffend, das natürliche Neue. Der Mehrwert des "Erfahrens" in beiden Fällen wird sein, dass ich mit mehr als dem einschätzenden Teil meines Verstands begreifen werde, was meine Umwelt mir sensuell zu verstehen geben wird. Die Spannung steigt.
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