2012-12-16

Musikalische Gelüste .

Johannesburg, 15. Dezember, Abendstunden, Blick auf das Carlton Centre

Gestern tanzte ich den ganzen Tag lang auf einem Dach in der Innenstadt. Nahe des "Arts-on-Main" Gentrifizierungsdiskurses richtete resident advisor (RA) ein einladendes line-up aus. Selbst der Regen bewirkte kein Desinteresse, die Menschen strömten und tanzten mit mir. 

Ich suchte bereits seit längerer Zeit nach einer solchen Gelegenheit, denn so schön meine Kopfhörerabende sind, so monoton nehmen sie sich aus, wenn keine Alternative zu ihnen besteht. 

Musikalisch erlebte ich Gemischtes. Seth Troxler, der gerade von RA gekürte top DJ 2012 spielte auf, vor ihm und nach ihm die etablierten local residents. Während jener als (hiesig) progressiv eingestuft werden kann, wegen seiner ungewöhnlichen Art, nicht nur die Ohren, sondern den ganzen Körper in Vibration zu versetzen, sind diese meiner Auffassung nach gefangen in dem Begehren ihres Publikums. 

Südafrika liebt house: minimal ist Rarität, nach Nicolas Jaar zu verlangen, ein zu früher Gedanke. Ich kam mit R. ins Gespräch, der seit vier Jahren als DJ in Johannesburg lebt. Er beschrieb, dass elektronische Musik zwar sehr angesagt sei, die Hörvoraussetzungen allerdings völlig anders zu denen in Europas Metropolen seien. Der von Terre Thaemlitz als shitty house (in Midtown 120 Blues, DJ Sprinkles, Mule Musiq) bezeichnete Einsatz von vocals hat hier Hochkunjunktur. Pop-Radio-House-Samples werden in Trommel-Beats gemischt und sind ob ihrer ohnehin starken medialen Verbreitung auf der Tanzfläche populärer als die Neuerungen und Entdeckungen, die ich von jedem DJ als Künstlernatur erwarte. Insofern enttäuschte mich sowohl so manche Publikumseingabe der locals als auch die Rezeption.

Während ich also Seth Troxler aufgeregt zuhörte (mit äußerst sorgsam toilettenpapiergeschützten Innenohren) und mich zu seiner Auswahl bewegte, standen ein paar Menschen einfach nur da. Der Stil sagte ihnen nichts, weil keine Radiosongzeile über den Verlauf einsetzte. 

In über den Abend verteilten, wiederkehrenden Gesprächen mit R. erfuhr ich zudem, dass die Innenstadt keine Orte für elektronische Musik böte und dass dieses gestrige event eine Ausnahme sei. Rosebank, ein reicherer, nördlicher Stadtteil, sei eher geeignet, um Partys zu besuchen, auf denen techno, house, dubstep und weitere musikalische, elektronische Subgenres gespielt würden. 

Ich halte weiter Ausschau und in Erinnerung, dass dieser Abend holistisch grandios war. 

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