2013-11-17

Seit Wochen und Tagen immer das gleiche Einschlafszenario: ich muss etwas schreiben, ich muss dies und das sagen, ich muss das machen, aber ich muss das auch noch schreiben. Es ist wie ein mich verfolgender Zeitplan, der nicht für mich geschrieben wurde oder zumindest nicht für meine gerade erlebbare Zeit. Der Machen-Modus ist angestellt und ich laufe und laufe und laufe. EIn halb-schrecklicher Zustand, weil mir der andere Teil fehlt; ein halb-beglückender Zustand, weil die Spitze eines flow so nah wird.

Die Wohnung, die ich im Prozess des Beziehens besser kennen lerne, formt sich unter Staub und Weiß zu etwas, das mir Zuhause sein soll. Ich finde das Arbeiten mit ihr gut, frage mich aber so langsam, was dieser Gedanke der Finalität soll: irgendwann fertig sein - wozu eigentlich? Vielleicht nur um der Sicherungsanker willen, die ich auswerfen möchte, Alleinsein als Selbstverständlichkeit, als Grundbedingung von innerer Auseinandersetzung.

Dieses blog verkommt derzeit zu einer Leerstelle und ich mag den Gedanken nicht mehr, dass mein hiesiges Leben irgendetwas mit Johannesburg, Südafrika zu tun hätte - ich bin weit von Joburg weg und ich merke, wie mir beschreibende Worte entgleiten, selbst für Begrüßungstexte muss ich lange Schleifen denken. Meine Idee, das Konzept umzustellen, funktionierte, keine Frage, aber der irreguläre Takt (oder das Format selbst?) bekommt mir nicht mehr.
Wie ich bereits zuvor in einem Artikel schrieb (oder mich zu erinnern glaube), muss / will ich nicht öffentlich sein, um auszudrücken, was vor geht. (Oder doch?)

Ich lasse stehen, was hier geschrieben wurde, aber ich habe das Gefühl, woanders weiter machen zu müssen. Andere Stellen sind offen, ich pausiere die ohnehin gebrochene Sendung.


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2013-10-15

Urban autumn / Kneeling lamb

Urban autumn / Kneeling lamb 

While striving through the city and its periphery I recently discovered that I am quite responsive to my natural surroundings. Which astonishes me because I never considered nature would influence my aesthetics behaviourally. Of course I can say that every environment leaves a mark on the individual (e.g. according to David Adjaye ¹ ² ³), thus it must have left a mark within me. But I think there is something else behind it. A former colleague of mine once said that she visited Germany and was surprised about the beauty of its colours during autumn: a thing which does not occur in her home country. It was a beautiful moment in itself, a memory which is shown as a facial expression, as pure vividness. Her eyes glared while speaking about her reminiscence. Maybe it was more this moment which let me think about autumn colours differently. It's not so much the colour per se but the liveliness I am looking for. As if others have to show me how to feel these moments of intensity. And I, consequentially, try to get there, as if this would be a competition for the richness of experiences in one's life.

Another comment fits into this pattern. A peculiar observation made by a friend, something which troubles me since. The accusation of not having developed an aestheticism on my own, but being merely and superficially influenced by others, temporarily only, to show an inclination where there is none. Another friend would have added the term of being an 'intellectual lightweight': to be someone, who says something in order to please someone else, without a sense of what pleases the own eyes and the own mind and without a detailed knowledge (in a broad sense). What a curse.


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2013-10-05

Versus.


Train still.  The day arrives. Close to Luckenwalde. I would like to do exactly the same sometimes: stopping time itself.

Here we are. Back for good, gone for good? I don't know. I just know that I have exploding ideas while having walks through the Strausbergian twilight. A 'versus' pitches, an idea so close to journalistic ideas crafted before, a post-re-post-system between google's illfords (it's the one you are reading) and wordpress' illfords, that I have the feeling of standing still regarding creativity, and yet, it doesn't let me go. I will see how it all works out. 


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First it was a big green grasshopper I found, dying in the grass. Then, today, it was a huge dragonfly, which lay on the pavement without its typical moves of its wings. Autumn turns into winter, I guess.

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I am at at another starting point: a car waits for me, so that I can travel from A to B (leaving out C, because I refuse living in a city and using a car). Hopeless to a discuss it with my ecological consciousness.

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A flat. The handymen are only going to finish the bathroom, then it's done. I am trying to contact the zugvoegel but they didn't reply yet. It was a request, I've written, something like an open invitation to a volunteer from the Global South. I'd like to create a similar space for someone else, something equally warm and liveable as the House of Dreams. 

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The realisation that radical egoism has to go into another identity / role of mine. Sometimes it strucks me that others relate to my actions as a reaction / response, not so much as (pre-) actions. Odd.


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2013-09-09

Das Danach in kleinen Schritten


Obschon betrachtet und festgehalten, verging der Frost schnell. Und die nächtliche Kälte wurde erträglich, weil der Tag wärmte. Tränen gab es nicht, aber das bedeutet nichts. Alles fiel schwer. Selbst das Schreiben. 

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Es ist absurd lange her, dass ich hier etwas geschrieben habe, und dass, was ich schrieb, diente lediglich der Ansage für das Hiersein, war nicht wichtig, nur Signal. 
Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, was jetzt mit dieser Adresse passiert, was ich eigentlich noch einfließen lassen möchte, was ich halbveröffentlich stehen lasse. Ich dachte daran, dass Gleiche zu versuchen, wie auch schon in Johannesburg, d.h. das Beschreiben der Andersartigkeit im reverse. Allerdings ist die systemische Konsistenz dieser mitteleuropäischen Welt so ergreifend, dass ich Ausfälle habe, sie beschreiben zu können. 
Neulich, in der Schweiz, Basel, komme ich doch zu Formulierungen in einem Straßencafé: 

Himbeere. Süße. Nach dem Spezialitätenkuchen einen Schluck Kaffee, der eine kleine Sinfonie (sin gleich Sünde?) auslöst. Als ob die Nuß lebendig wird. Dann wieder Rauchen. Wenn das das einzige Leben ist, das ich zu geben im Stande bin? Aber ich habe auch das Gefühl, daß ich mich übernehme, dass das alles nicht stimmt, was ich tue, denn egal, wie viel ich auch abgebe, ausgebe, weggebe, ich höre nicht auf, zu bekommen. Eigentlich eine Hölle: zu kriegen, Schuld darüber zu fühlen, nichts zurück geben zu können. Johannesburg war einfacher, regulierter, klarer, voller Kontrolle und mit schlichter Dankbarkeit versehen über die kleinen Dinge. 
Ich sehe zu viel 'Gesundheit' in dieser konsumierenden Gesellschaft. Strenge Diäten und große Einkaufstüten, die Blicke abwägend, skalierend, ob nicht doch eine Spur der Anerkennung im Blick des anderen liegt. 
Ich sehe natürlich auch Armut, denn die gibt es überall. Hier in Jogginganzügen, auf der Flucht, im Rückzug begriffen, nur nicht zu viel zeigen. Schnelle, ungelenke Schritte an der Kirche vorbei. Es gibt einen Hauch der Trennung zwischen wohlständiger und armer Schlankheit. Die Schärfe des Gesichts, das sich mit weiteren Mitteln kleidet gegenüber den Furchen schlafloser Nächte.
Jugendliche Ästhetik: das Einfach-so-sein, das lebendige unverfälschte Vibrieren von Haut, das nicht zu verhindern ist. Dagegen das reguläre Alter mit seiner Erscheinungen. Alterssprossen, Sonnenbrillen, Schirmmützen, die Flucht in den abgegrenzten Schatten, der Hitze wegen. Die Zwischenstufen: klassisch anzugig bis flott und bunt. Wohlstandsbäuche vor sich her tragend, immer noch präsentabel. 

Aber das sind Kleinigkeiten, Wegbeschreibungen. Mein Tun erschöpft sich normalerweise im Bewerben, ein schwerfälliger Prozess, denn meine Ungeduld ist rasend. 
Ich versuche, meine Bahnen wieder zu finden, meine Stabilisatoren: der eigene Raum, die eigene Zeit, das eigene Tun. Wobei meine Raumansprüche gerade mit so Vielen übereinstimmen, dass Konkurrenz unvermeidlich ist. Das Lächerlichste (zugegeben in einer sehr schönen Wohnung): Lichtenberg, Wotanstraße. Die Milde des Abends spannt sich an, weil vielleicht siebzig Personen vor einer Haustür warten. Die bisherige Mieterin, überfordert von der Menge, starrt ängstlich in fremde Gesichter, die durch ihre Wohnung stöbern, anfassen, anschauen, ausfragen. Kein Gesandter der Genossenschaft unterstützt sie. Der Besichtigungstermin wurde im Internet veröffentlicht.

Es sind nur fünf Tage, dann fahre ich zum Nachseminar nach Bielefeld. Das letzte seiner Art für mich als Freiwilliger. Erwartungen? Nur an das Wiedersehen, an das Lachen, an den kunterbunten Austausch von Nicaragua bis nach Mosambik. Vielleicht noch an das 'gender'-Seminar. 

Ich frage mich wirklich, was Jozi macht? Sophiatown? Die neuen Freiwilligen? Die gewohnten Klienten? Das alte, neue Lied?


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2013-08-24

Issues when coming back.

Dear all, as you already noticed due to my last post, I am back. I have met a few of you, other meetings are set up already. It is good to be back, though I am still a bit sad. It seems as if I am not ready to finish my final welthaus report, yet, because I keep me busy: running around, running after flat offers and job opportunities. I have to move out of my parent's house and find a place on my own, something that is not too far away from the inner city (40km is just too much), but not too close, either. A certain distance seems the right thing to choose. As so often.


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2013-08-14

Arrival.

Dissolve Fear. Honor Differences. Face Anger. Opt to listen. 

I am back. What more can I say?
Since last Saturday I arrived with my London airplane at Berlin-Tegel, was welcomed warm-heartily by my family, spent hours of talking and listening. This Wednesday is one of the first days to settle down a bit, to get to grips with another application for the Berlin labour market so that I am enabled to find a place on my own. I checked out flats already, have been booked for upcoming 'public viewings' for some flats and realised how ridiculous it is to see those flat without the option of actually renting one of them because I am not yet working.

I see friends and cycle through Berlin in order to get used to this city again.

I see polished façades, a level of cleanness which bothers me, few, few people, except in those place where tourists walk around, see myself in a mirror in those shopwindows which have all the goods you need to have and everything repelled me in the beginning, now I am starting to become a mite more relaxed.

Is this the adaptational phase, in which I process my 'grievy' feelings, getting angry about all the wealth and exclusiveness here, directing my anger towards those who can afford to be in this place? EU Politicians would say, the strict border rules are necessary to protect what is there, but I tend to say, tear them down, those borders, invite instead of reject, share, share even all the problems which are coming, embrace them, accept the risk a society is for itself, accept the differences, honour the strange.
Maybe I am just missing the strange for myself, the multiple voices and sounds which are not common here. I even practice click sounds on the streets, just to have imported moments of familiarity from my last twelve months. Where is this all?

I see people from African descent and smile at them, because I am happy to find brothers and sisters of mine - terms which are uncommon to the ear of a German. I see them in those very same shops where I found them also in Joburg, in hospice and charity shops, in front of some cafés, in shops which have the label to be truly 'African'.

I think I must keep a few things from Jozi, I cannot help it. I need multicultural environments, I need a certain degree of untidyness, maybe even unhidden poverty.

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2013-07-06

Der letzte Monat.

Zeitungsausschnitt, Joburg Downtown. 
A: (weint) 
B: Warum weinst Du? 
A: (schluchzend, unsicher) Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht ... 
B: (schlägt A auf die Wange) Da. Jetzt hast Du wenigstens einen Grund, zu weinen.
(nach Camus)

Der letzte Monat meines Aufenthalts ist angebrochen und ich weiß nicht so recht, wie ich mich fühle. Einerseits 'fine and dandy' - ein Gefühl von kaltem Morgen, an dem ich in Jacken eingepackt auf dem Fahrrad trete und langsam die Wärme in meinen Fingerkuppen zu spüren beginne. Das Wundervolle danach besteht aus den geröteten Wangen, die mir auch im Spiegel zeigen, dass eine weitere nächtliche Blässe unter den Decken überwunden ist. Andererseits bin ich besorgt um meinen Aufbruch, der mir, obwohl noch scheinbar so lange weg, überhastet vorkommt.
Meine angenommenen Verpflichtungen - ich werde sie aufgeben müssen. Die Frage, ob ihre Nachfolge angetreten wird, bleibt unbeantwortet. Ab dem 9. August ist es nicht mehr an mir, für eine Reaktion zu sorgen.

Jedoch ganz erledigt, ist mit diesem Gedanken noch nichts. Ich denke auch an die emotionalen Banden, die (s)ich irgendwie doch mit meinem Umfeld gesponnen haben. Was passiert im Danach? Wird für Kontinuität gesorgt? Gibt es andere Personen, die sich kümmern?

Ich bemerke auch, dass ich wehmütig an Gegenständen hängen bleibe, die mich tagtäglich umgeben. Banales, wie ein Keramikteller mit einem Sprung, die imperiale Nachttischlampe, deren Haupt sich schon lange von ihren vier Halterungsdrähten getrennt hat (und das jetzt meinen Wäschekorb ziert). Ich denke daran, was ich hier lasse, was ich mitnehme, was ich noch erledigen muss usf. Kurzum: eine Aufbruchs-Unruhe macht sich in mir breit.

Ein weiteres Symptom dieses Zustandes ist eine Art Reparaturwelle in mir. Ich möchte gerne Dinge hinterlassen, die funktional sind. Ich lasse Kissen- und Deckenbezüge nähen, selbst wenn ich nicht für ihren Verfall verantwortlich war. Nur das einmalige Benutzen verpflichtet mich irgendwie. Ich schaue nach Nischen im Haus, die ich gerne fülle - eine Salat- und Rührschüssel, die irgendwie immer fehlte, aber erst jetzt durch mich erstanden wurde. Eine Springform, ein Backblech. (Zugegeben, diese Objekte laufen auf ein thematisches Ziel hinaus: ich möchte noch einen Kuchen backen).

Der Herd, bevor ich ihn säuberte. 

Scharfe Messer. Genügend Scheren. Ein Fahrrad, das fährt.
Es ist eine eigenartige Nischenordnung, die ich stimuliere - idiosynkratisch, orientiert an den Dingen, die für mich noch Bedeutung haben werden / haben / hatten und dem Auge für kleine Verbesserungen, die dadurch auffallen, dass sie keinem auffallen, weil sie zumeist als gegeben angenommen werden.

Zumindest verschaffe ich ihnen hiermit eine Geburtsurkunde.


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2013-06-23

Die zwölfte Sprache.

Das Alphabet der Zeichenformen für Nicht-Blinde.

Beinahe am Ende meines Aufenthalts werde ich endlich der Sprache mächtig, die auch für mich eine wichtige Rolle spielte - die Handzeichensprache der Taxifahrer. (Ich berichtete schon kurz darüber.)
Ich besuchte das Wits Art Museum (WAM) in Braamfontein, um mir ein Bild der Ausstellung zu machen, die eben für jenes, bereits erwähnte Büchlein bzw. die damit verbundenen Projekte der Künstlerin Susan Woolf kuratiert wurde.
Der Eintritt des WAM wird generell jedem geschenkt und da ich Glück hatte, dass genau an jenem Besuchtstag Susan Woolf selbst anwesend war, um sich zu erklären, bekam ich sowohl die oben abgebildete Broschüre als auch das Taxizeichenbüchlein dazu.

Was soll das Ganze? Woolf schreibt eine Dissertation über ihr Projekt und hat nicht nur ambitioniert und mutig nach den Ursprügen der - wie fast allen Sprachen zu eigen - dynamischen, sich evolvierenden Kommunikationsform gesucht, sondern auch Braille-Zeichen für Blinde entwickelt. Obwohl blinde Menschen generell wie jeder andere auch durch die Minitaxis transportiert werden und auf ihren Strecken ebenfalls die Zeichen kennen, reichte das Woolf nicht. Es ist ein bisschen so, wie mit dem Metrobussystem: erst die Ordnung verschafft für Manche Befriedigung.

Auch wenn jedes Zeichen bzw. jede Buslinie erfragt werden kann und die Taxi- bzw. Busfahrer schon einmal anhalten, um Auskunft zu geben, wenn niemand weiß, wohin es geht, so ist doch der apriori-Versuch exakter Kenntnis ein vielversprechender. Mit Woolfs Buch (oder eben mit Jizzy Lebigs Karte) kann jede Person vorab Zugriff auf die Erfahrungen anderer haben.

Ich sehe darin nicht nur den Versuch, das Informelle fassbarer zu machen (nach und nach zu formalisieren), sondern auch die langsame Ablösung der oralen Narrative hin zu schriftlichen (westlichen) Ordnungs- und Verständigungsstrukturen. Es ist dies das Begreif- und Verfügbarmachen - ein Demokratisierungsversuch, denn jede/r kann fortan auf ein zuvor exklusives Wissen zugreifen, das hohe Barrieren hatte. Zum einen gab es die Barriere der Sicherheit (wer fährt Taxi? Zumeist die arme, pendelnde Bevölkerung, die sich kein eigenes Auto leisten kann). Zum anderen die der zweifach Verschlüsselung (wer spricht die Sprachen des Taxifahrers? Wer kennt die Zeichen für die Routen der Taxifahrer?).

Ich komme langsam zu dem Punkt, an dem ich erkenne, wie offen Johannesburg in der letzten Dekade geworden sein muss und dass gerade diese Offenheit nicht nur ein Motor der Zuversicht für eine prosperierende Stadtzukunft / -vision ist ("A world-class African City", so der slogan), sondern auch, dass diese Einladung endlich allen Menschen gilt.
Neulich stolperte ich über mehrere Zeitungsartikel, die beschworen, wie sehr der urban dekay für die innerstädtische Flucht verantwortlich war und wie sehr jetzt und in naher Zukunft daran gebastelt wird, die Verlockungen der Innenstadt wieder aufzugreifen und (leider stark monetär getrieben*) nutzbar zu machen.

Fingerzeig für "Jo'burg CBD / Noord Taxi Rank"

Da ich mich sehr stark mit den Werten der idealen Stadt  identifiziere (Nähe, Multikulturalität, Fühlungsvorteil [im weiten Sinn], Emergenz, unvermeidliche Begegnung), let's move!


* Das hat mindestens zwei Seiten: dass Geld nicht nachhaltig ist, liegt am derzeitigen und weltweiten Geldsystem. Dass es aber Unterhaltungswert hat und ein primäres Ziel, ja ein Ziel an sich geworden ist, kann so schnell nicht mehr verändert werden. So sehr ich auch an einem Freigeldexperiment à la Wörgl interessiert wäre, so sehr sehe ich auch die Machtverhältnisse, die dies in Schranken halten und hielten. Meine Hoffnung: dass die am Geldumlauf partizipieren, die über die Jahre geblieben sind.



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2013-06-09

Bericht in Stücken IV.

 

Auslaufendes.

Neulich gab es ein Feuer auf dem veld hinter unserem Haus. Es entwickelte sich aus einem Müllcontainer heraus, der im unteren Bereich leckte, Flammen auswarf und den Wind für den Funkenflug nutzte. Durch die jetzige Trockenzeit ist das hohe Gras strohartig und da brauchte es nicht viel, um einen Flächenbrand zu entfachen. Prinzipiell benötigt die natürliche Vegetation genau das: die Erneuerung der Flora findet über den Brand statt. Würde Johannesburg nicht Stadt sein, so wären die hohen Gräser so ziemlich das Einzige, was zu sehen wäre. Eine hügelige, trockene Landschaft, in die häufig der Blitz einschlägt. Der Leiter des Partnerprojekts in Mpumalanga sagte, manche Pflanzenarten können nicht anders keimen, sie entstehen nur, wenn das Gras verbrannt ist, die Sonne an sie heran treten kann und die fruchtbare Asche für den Nährboden sorgt. Doch es ist nun einmal städtisches Gebiet, dieses Johannesburg und irgendein Müllentsorger mit Zugang zum Container (der ziemlich verlassen und allein herum steht) brachte es fertig, den Gedanken, den größeren, angesammelten Müllberg durch ein Feuer reduzieren zu wollen, in die Tat umzusetzen. R. war die erste, die aus ihrem Zimmer in die Küche kam, um mich zu informieren. Sie sagte, eine unbekannte Nummer hätte sie angerufen, sie sei aus ihrem Dösen erwacht, hätte aus dem Fenster geschaut und das veld in Flammen gesehen. Ein paar Minuten später erhielt ich auch einen solchen stummen Anruf. Bei Abnahme gab es keine Meldung. Die Nummern zwischen R. und mir stimmten überein. Was das sollte, wird wohl ein Rätsel bleiben. Wir informierten T. und dieser rannte sofort mit Eimern in den Händen hinaus. Er sagte, wir müssten das Feuer eindämmen, andererseits könne es Überhand nehmen und bis zu den nachbarlichen Häusern und gar unserem Haus vordringen. Ich war erst ziemlich gelassen und reagierte mit einem 'pff', aber als ich schließlich im Gras stand, nahe des Feuers, wurde auch mir klar, dass die Sache nicht spaßhaft-heiter genommen werden sollte. Schnell war übrigens auch klar, dass wir mit drei Eimern und einem nicht funktionalen Wasserschlauch nicht viel erreichen konnte. T. entschied, die Brandherde mit einem Ast auszuschlagen. Das wirkte. Allerdings überkamen mich doch Zweifel und ich rief die Feuerwehr. Jedoch beließen wir es nicht beim Warten und kämpften. Wir waren schneller als die Feuerwehr. Wir zerschlugen das Feuer mit unseren Ästen und röchelten ein bisschen in dem Atemwegen dabei. Nachdem der Brand aus war, trudelte das große Feuerwehrauto ein und die Herren löschten schließlich den noch brennenden Container. Ich weiß nicht genau, was die Konsequenz sein wird - die Feuerwehrmänner sprachen davon, dass der Einsatz bezahlt werden müsse, dass die private Müllverbrennung eine Straftat sei usf. Für mich war es ein kleiner Aufreger und für alle Beteiligten Hilfs- und Ausnahmelöschkräfte entstand, so schien es mir, ein Gefühl, Gutes gemeinsam getan zu haben.

Ich glaube, ich werde das veld vermissen. Schließlich war es mein Schreibtischausblick über die letzten neun bzw. zehn Monate. Ich bemerke schließlich, wie sich das eine Jahr Johannesburg dem Ende neigt und ich spüre ambivalenten Gefühlen nach. Zum einen weiß ich, dass ich mich darauf freue, zurück zu kehren, dass ich wieder etwas Neues beginne, dass ich um eine Arbeitserfahrung reicher bin und um eine gefühlte Entscheidung ebenso. Zum anderen denke ich: das war es? Müsste ich nicht noch ganz viel tun? Natürlich kann ich mich gegen Letzteres wehren: es sind beinahe nie die äußeren Dinge, die etwas in mir voran treiben, es sind fast nie die Beweisstücke des Orts, die mich zu verändern in der Lage sind. Es ging und geht für mich darum: was habe ich gedacht? Was habe ich gefühlt?

Und nichtsdestotrotz versuche ich noch ein paar anderen Orte zu sehen. Ein ehemaliger Kollege wird ein Seminar außerhalb von Johannesburg veranstalten und da die Lage idyllisch erscheint, fragte ich ihn, ob ich ihn begleiten könne. Er stimmte zu und ich werde an einem der nächsten Wochenenden zum Sediba Mountain Retreat Centre in Hartebeespoort fahren. Ich werde auch eine Urlaubswoche im Juli an der Ostküste nahe Durban verbringen. Ein Freundin T.s lebt dort und lud uns ein. Danach bleiben mir noch ein paar freie Tage vor dem Flug für den Abschied von den Dingen, die mich umgaben, für ein bisschen Ruhe (den letzten Bericht?), für ein bisschen Skateboard, ein letztes Foto oder den letzten Traum im House of Dreams.

Aber was wird aus Johannesburg? Ich bin noch nicht ganz am Ende angelangt, ich habe noch zwei Monate hiesiges Leben vor mir, ich muss jetzt noch nicht Abschied nehmen. Mal sehen. Ein zukünftiger Ausblick: meiner Fantasie nach werde ich noch einmal studieren. Architektur aus anthropologisch-soziologischer Perspektive. Den ersten Abschluss erreiche ich in Berlin, dann kehre ich nach Johannesburg zurück, um urban informalism in Folge zu studieren. Meine Studentenwohnung wird in Braamfontein liegen und ich werde es jeden Tag genießen, Teil einer studentischen Aktivistenbewegung zu sein, in einer Stadt, die rauscht anstatt gemächlich zu schwappern.

UPDATE: via ist die pdf Datei vom zusammengefügten Bericht abzurufen (153.8Kb)


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