2012-08-25

Kurz vor der Abreise: Organisatorisches.



Dieser Eintrag ist der Organisation gewidment, jenem befremdlichen Ding, das es möglich macht, dass Menschen und Menschen und Maschinen und Menschen zueinander finden.

Ich bin gepackt. Und meine Rucksäcke sind entgegen der ernstgemeinten Worte zweier Freundinnen zum Bersten gefüllt. So schleppe ich auf Rücken und Hüfte 20kg mit mir und an Brust und Bauch noch einmal zehn zusätzlich.
In diesen dreißig Kilogramm sind sechs Geräte (Telefon, Computer und Dockingstation, Kamera, eReader und Kopfhörer) und viele Stoffe, dazu ein paar Papiere und auch mehrere Schokoladen enthalten. Letztere dienen als Geschenk für das Sozialzentrum, ganz bio und fair. [UPDATE: Leider sind sie während des Fluges in luftig-warme Schieflagen geraten und mehr als erwartet deformiert worden. Aber Geschenke habe ich dennoch zu unterbreiten: ein USB-dongle für einen altersschwachen PC und edubuntu 10.04.1 für ein hübsches Straßensümmchen von €15 im örtlichen Internetcafé. Der Inhaber wusste um seine Versorgungsmacht.]

Die SIM-Karte meines Telefons beherrscht zwar südafrikanisch, bleibt aber der Heimat verpflichtet, sodass folgende Bedingungen gelten:
  • die eingehende Übertragung des Typs Gesprächs kostet mich 0.99€/min; die des Typs Textkurznachricht nichts, die des Typs Bildnachricht 0.39/MMS,
  • die von mir gesendeten Übertragungen kosten nach Deutschland während eines Telefonats 2.29€/min; pro SMS 0.39€/SMS; pro MMS 0.69€/MMS.
Im Büro in Sophiatown kann, wer will, anrufen. Die Nummer hört auf +27 11 4828530. Über das allgefällige Internet werde ich ebenfalls zu erreichen sein. Aber das wissen ja die Meisten. Schreibt an:
  • michael[dot]feuerherd[at]googlemail[dot]com 
oder verabredet Euch mit mir zu einem Skype-Gespräch (die Suche nach 'michael.feuerherd' sollte zum Ziel führen). Allerdings gilt erst einmal die Einschränkung, dass keine Videotelefonie möglich ist. Die Erklärung ist Folgende: ich werde mich, sobald ich im Land bin, um einen mobilen Breitbandzugang kümmern. Hoffnungsfrohe Angebote unterbreitet z.B. Cell C (nachzulesen hier; Link zur englischen Wikipedia mit einer Übersicht zur Situation des mobilen Breitbands in Südafrika). Dort werden derzeit 2GB pro Monat à zwölf Monate zu einem Preis von R1299 (Rand:Euro~10:1) geboten, was ziemlich genau meinem Wunsch entspricht, einigermaßen günstiges Internet ohne Vertragsbindung zu genießen. Zwar entfallen damit Downloads der Videogröße [Link zu Online TV Recorder, meinem bisherigen Ersatz-Fernsehen], aber für meine "Blogosphäre" reicht das allemal. Jedoch verbraucht Skype bei Videoanrufen und empfohlener Datenrate [Link zur Supportseite von Skype] von 300kb/s die angepeilten 2GB in gut 116 Minuten (wenn ich mich nicht verrechnete; siehe Umrechnung [Link zu einer Seite, die Umrechungen von Bit/s und Byte/s etc. ermöglich] und Folgerechung in R im Bild oben).

Falls Ihr den Wunsch versprürt verspürt, meine nostalgische Ader zu rühren, dann sendet mir etwas per Post. Ich werde im sogenannten "House of Dreams" (HoD) im Stadtteil Observatory [Link zu GoogleMaps] leben, aber im Büro des Sophiatown Community Psychological Services (SCPS; Link zur SCPS-Homepage) arbeiten. Da die Bewusstseinserweiterung durch den Namen meines künftigen Wohnhauses geprägt ist und ich daher vermutlich öfter abwesend sein werde, als üblich, ist eine Sendung an die Büroadresse sicherer:
Michael Feuerherd
c/o SCPS
4 Lancaster Street
Westdene 2092
Johannesburg, South Africa

Die internationale Postkarte [Link zum Portokalkulator der Post] kostet konstante 75 Cent - was sie zur wa(h)ren-Alternative zu den ganzen teuren Päckchen macht - Immaterielles statt Materie! Worte sind kostbar und ich schätze sie.

So wünsche ich ein großartiges Jahr.  Ahoi.

PS Das Spendenziel von €1800 ist schon mit leichtem Überschuss erreicht, was bedeutet, dass nicht nur mein Projektplatz für die nächsten zwölf Monate sicher ist, sondern auch der nächste Freiwillige für die darauf folgenden zwölf Monate eingeplant werden kann. Alle weiteren Spenden werden somit dem Welthaus und seinen vielfältigen Projekten zu Gute kommen. Ich danke allen Direkt-Spendern und Postkartenanguckern und Arbeitgebern und Zuhörern sehr.
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2012-08-15

Update: Postkartenaktion. Oder: Altgewordenes.


Derweil die Zeit stets näher rückt, da ich Deutschland den Rücken kehre, möchte ich eine Aktualisierung zu meiner Sammlung privater Spendengelder, verteilt auf möglichst viele Schultern, schreiben.

Das Projekt funktioniert nicht.

So simpel, so wahr, so lehrreich die Erfahrung. Die Postkarte, so der nicht-spendende Mensch, habe ausgedient, sie ist ein Medium, dem keine glorreiche Zukunft mehr prophezeiht wird. Auf die meisten meiner Anfragen erhielt ich eine prompte Ablehnung. So geschehen in Greifswald, einer Stadt, in der der prototypische Ladenbesitzer mir ein freundliches "generell eher nicht" zur Antwort gab oder in Strausberg, wo der gemeine Strausberger in vollendeter Lakonie "nein" sagte.

Ein paar Kuriositäten durfte ich kennen lernen, wie den jungen Mann, der zwar genauso, wie all die anderen "nein" sagte, aber darauf verwies, dass er sich erinnere, dass sein Bruder früher an der Zimmertür Postkarten zu hängen hatte. Er rief diesen an, musste mir aber enttäuschend und entschuldigend sagen, dass sein Bruder seit einiger Zeit von Postkarten zu Plüsch-Giraffen gewechselt hätte.

Oder die eine Frau, die in mir ihren Enkel sah, der vielleicht genauso wie ich irgendwann einmal da stünde und irgendetwas an die Frau/den Mann bringen wollte. Sie spendete mir ihren Einkaufswagen-Euro und fügte hinzu, dass sie an den Postkarten das geringste Interesse hätte. Und nahm keine.
Die andere Frau, von der ich zwei Euro erhielt, erzählte in einem Satz, dass sie vier Jahre in Mosambik gelebt hätte und aus alter Solidarität nun spendete. Auch sie empfand die Wahl einer Postkarte eher als Belästigung denn als Geschenk.

Ein dritte Frau berichtete, dass sie zwar gern spendete, aber nach dem Spendenskandal, der auf den Tsunami 2004 folgte, nicht mehr bereit sei, Vertrauen irgendeinem Wildfremden auszusprechen. Wer wisse denn, was mit dem Geld geschehe?
Und da erinnerte ich mich spätestens daran, dass meine Zielgruppenanalyse wirklich nicht weit gediehen war, denn ich setzte auf Menschen, die sowohl Postkarten schreiben (eine mittlerweile schrumpfende Gruppe von anscheinend Wenigen), als auch Zugang zum Internet haben (in Kombination: extrem Wenige).
Die Postkarte als appetizer und das Internet zur Vertrauensbildung, da ich ja auf Spenden schriftlich zu reagieren versprach. Es hätte so gut werden können: win-win und Anreizsystem. Auf der einen Seite der Spender, der zusehen kann, wie er teil-öffentliche Aufmerksamkeit als Belohnung und die Postkarte erhält, die auch ihrerseits im privaten Kreise weiter gereicht werden hätte können; und ich auf der anderen Seite, der in der Spende Anlass sieht, einen Text zu einem Motiv zu liefern, das der Spender dereinst wählte.

Ich will nicht jammern. Aber bedauern. Denn in meinen fossilhaften Augen, so muss ich erkennen, ist die Postkarte ein Medium, das ich viel zu gern bemühe um einer irgendwie gearteten Kreativität Ausdruck zu verleihen - als dass ich es je aufgeben wollte. Stellte die Post in betriebswirtschaftlicher Manier fest, es lohne nicht mehr, Postkartenbriefmarken zu drucken, ich weinte darum!

Meine Liste an Vorteilen, die für den regelmäßigen Gebrauch dieser frühen, kostengünstigen Reise- bzw. Urlaubs-karten sprechen:
Die Motive können selbst gestaltet werden (keiner muss Postkarten kaufen) und werden gerne vom Empfänger überinterpretiert und führen spätestens bei der nächstbesten Begegnung zur Nachfrage, was ich mit ihnen denn auszudrücken gedacht hätte.
Der Text - der weit mehr als die 160 Zeichen einer neumodernen Kurznachricht ermöglicht - transportierte für mich bereits zusammengefaltete Textausdrucke, Geschenkschleifen auf Pappkarton, Schreibmaschinentypo, Handgekrakeltes, Zitate, ausgeschnittene Zeitungsbuchstaben, Einladungen, Glückwünsche, viel zu kurze und daher offene, ambiguitive Nachrichten, Liebesdinge, analoge Hyperlinks usf.
Die Vermischung beider Ebenen ist für mich mehr als die Multimedianachricht des Mobiltelefons: die persönliche Dringlichkeit spricht durch die Haptik und im besten Fall durch die Handschrift. Und: die Meisten, so meine Erfahrung, wünschen doch mehr in ihrem Briefkasten als Rechnungsschreiben und Werbung.

In Anbetracht meiner baldigen Abreise und daher den wenigen Gelegenheiten, in denen ich öffentlichen Raum betrete, um Spendengelder einzusammeln, stelle ich meine Motivsammlung online. Sie ist in ein Google-Picasa-Album (.jpg-Format) gespeichert und über diesen Link zu erreichen. Sie enthält eigene Fotos aus Basel, Berlin, Buenos Aires, Dresden, Franken, Göteborg, Istanbul, Jerusalem, La Rochelle, London, Ölü Deniz, Petra, Prag, Strausberg, Tel Aviv und viele über die Jahre gesammelte Motive aus Zeitungen und Magazinen und anderen (Werbe-)Postkarten.

Wer will, äußert Motivwünsche, ich sende daraufhin die gewünschte Karte per Brief. Spenden sind natürlich, wie schon zuvor, erwünscht.
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2012-08-10

Medien II 1/2 - Öffnen. Schauen. Zuklappen.

Ja, ich war frustiert. Und bin es noch. Deshalb das Bild. Deshalb mein letzter Eintrag, zu dem ich beinahe nichts selbst beigesteuert habe, außer der Verlinkung auf einen Spiegel-Artikel und der Möglichkeit zur Interpretation, dass ich das Buch, von dem der Eintrag durch ein Zitat handelt, tatsächlich gelesen haben könnte.

Der letzte Blog-Output war eine Reaktion auf etwas Vorangegangenes. Aber das sei erklärt. Erst einmal: Natürlich habe ich das Buch "Mein Verräter Herz" gelesen und natürlich ist es ein gutes, lesenswertes Buch. Es enthält reportagenhafte Episoden von investigativer, journalistischer Arbeit, die tiefgehend und hautnah Materialien der Gewalt und Unterdrückung an die Oberfläche der südafrikanischen Öffentlichkeit spülen; Episoden, die keine Bequemlichkeiten erlauben und immer wieder die persönliche Auseinandersetzung von Rian Malan mit seiner weißen Vergangenheit - die eng gekoppelt ist an eine Kindheit während der Apartheid, den Widerstandsreflex seiner Jugend, seine Suche nach Kontakten und Verbindungen zu Schwarzen, seine Wünschen an sie, seine Freund- und Liebschaften mit ihnen, und die Frage, warum dennoch und auch an ihm, Rian Malan, das segregative, rassisstische Moment klebt - zum Vorschein bringen.
Es ist ein Buch, das selbst kleben bleibt.

Jedoch war ich nicht nur in das Buch vertieft, sondern auch in einer Art Interview, das ich gewillt war, hier vorzustellen. Und genau das geht nun nicht mehr, der Interviewte erteilte mir eine Absage, zu persönlich das Ganze, etc.
Deshalb meine Frustration, deshalb ungesagt Gesagtes, Zitation statt Auskunft - stilistisches Mittel zur Findung einer Distanz zum medialen Gegenstand, da dieser durchtränkt ist von meinen Gefühlen.

Mein Verräter Herz. Auch hier bewegt es ein Tun.
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2012-08-08

Medien II


"Zwar hatte ich all das schon 1976 erlebt, doch nun war mir, als sähe ich es zum erstenmal, als begriffe ich endlich die Auswirkungen der Krawalle auf die Psyche der Weißen. Die Weißen schienen sich ängstlich in sich zurückzuziehen, sich gegenüber Afrika zu verschlie-ßen und das Elend in den Behausungen der Schwarzen einfach zu ignorieren. Früher, als Marxist, hätte ich gesagt, Ursache dieser peri-staltischen Krämpfe sei der Klassenkampf, das weltweite Drama von Haben, Nichthaben und Wollen. Aber jetzt erschien mir diese Erklä-rung völlig unzureichend, viel zu trivial und nüchtern, um die furcht-bare Macht der weißen Unterdrückung zu beschreiben. Damit war zum  Beispiel das Foto eines Zwölfjährigen in der Cape Times nicht zu erklären: Der Junge stand mit dem nackten Rücken zur Kamera, auf seiner braunen Haut waren die Striemen von einer Schlagrute zu sehen. Warum hatten sie das getan? Um ihre Klasseninteressen zu fördern? Quatsch. Sie taten es, weil der Jungen schwarz war und unterdrückt werden mußte. Sie taten es, weil sie Angst vor ihm hat-ten. Das war das Gesetz und das Vermächtnis Dawid Malans. Wir unterdrückten die Schwarzen aus Furcht, sie könnten sich auf uns stürzen und uns die Kehlen durchschneiden." (aus Rian Malans Mein Verräter Herz).

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13500486.html
[Spiegel-Artikel zu Malans Buch My Traitor's Heart]
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