2012-06-27

Pinke, Pinke. Oder: Mäzene gesucht.


Mit der Tür ins Haus fallen, so das Motto der direkten, unzensierten Gedanken, verhindert Manipulation und Verführung.
Und so will ich's halten mit meiner bittenden Aufforderung zur finanziellen Unterstützung des Projektplatzes in Sophiatown, Johannesburg, Südafrika.

Rekapitulation

Ich resümiere kurz, was vielleicht in all der Privatheit meiner Einträge untergegangen sein mag.
Ich werde ein Jahr in der schönen, südafrikanischen Provinz Gauteng und im noch schöneren Egoli/Jozi/Jo'burg/Johannesburg verbringen. Ab dem 25. August 2012 bis zum 25. August ein Jahr später.
Das Ganze geschieht vor dem Hintergrund eines Freiwilligendienstes, den ich durch das Welthaus Bielefeld e.V. als Projektträger angenommen habe und der allgemeiner zum Weltwärts-Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gehört.
Das BMZ übernimmt dabei 75 Prozent der Kosten jedes anerkannten Projektplatzes, was bedeutet, dass der Projektträger (in meinem Fall das Welthaus) und ich, den Rest der Kosten tragen müssen. Mein persönlicher "Rest der Kosten" beträgt für zwölf Monate 1800 Euros, also 150 Euros pro Monat.

"Das Land Afrika"

Während so Mancher denken könnte, dahinter verberge sich eine perfide Machart von gewinnorientierten "Jugendverführern", die ein Schneeballsystem der Spendengelder in Gang bringen und halten wollen, dem seien hier entegegnet, dass diese 150 Euros nicht einmal im "armen Afrika" reichten, um mich pro Monat zu versorgen.
Denn entgegen des weitverbreiteten Vorurteils gibt es gar nicht das eine Land namens Afrika, in dem alles schlimm, schlecht, "failed" und arm ist.
Südafrika, wie auch andere auf dem afrikanischen Kontinent gelegene Länder, ist ein einigermaßen reiches Land - an Ressourcen ohnehin und selbst am Bruttooinlandsprodukt* bemessen (>$8000/pro Kopf/Jahr; vgl. Mosambik >$580/pro Kopf/Jahr; Deutschland mit >$43000/pro Kopf/Jahr; Schätzungen 2011 durch den IWF).

Einnahmen und Ausgaben

Noch während des zweiten Vorbereitungsseminars erklärte mir eine Projektkoordinatorin, dass es gerade in Johannesburg nicht leicht war, eine Unterkunft zu finden, die den Monatssatz von 100 Euros nicht übersteigt. Fündig wurden sie nur, weil der Projektpartner, die Sophiatown Community Psychological Services (SCPS), selbst ein Haus besitzt, das die Freiwilligen als Lebens- und Schlafstatt mitbenutzen dürfen.
Das Welthaus wird mir pro Monat 300 Euros überweisen, von denen 100 der Miete dienen (Kaltmiete, Wasser, Strom), weitere 100 der Selbstversorgung und die restlichen 100 als Taschengeld.
Die von mir zu erbringenden 150 Euros decken also nicht meinen regulär-kalkulierten Monatsaufwand ab, sodass sie selbst nach dem geschicktesten, rechnerischen Kombinieren nicht dem Zwecke nach für mich gebraucht oder indirekt zurück überwiesen werden. Nach den Gesprächen, die ich zum sogenannten "Förderkreis" führte und den dazugehörigen Informationen, die ich las, stellte ich zwei wesentliche Funktionen des zu erbringenden Geldes fest.
Zum einen bin ich gezwungen, mich um das Projekt zu kümmern. Zum anderen kann das Welthaus andere Projekte finanzieren, die im nächsten Jahr stattfinden (so z.B. die Auswahltage für das Weltwärtsprogramm, Vorbereitungsseminare, allgemeine Bildungs- oder koordinatorische Arbeit an Schulen oder im Bereich der universitären Bildung) und auch "mein" Projekt in Sophiatown fortführen.

150 Euros pro Monat

Warum ist es gut, dass ich zu etwas gezwungen werde, was ich freiwillig zu tun bereit bin? Zwei Antworten fallen mir ein, eine psychologisch-intuitive Erklärung und eine pädagogische.
Die intuitive, weil kurze Antwort zuerst. Der Grund liegt im Verpflichtungsgefühl dem Projekt gegenüber. Und dieses Phänomen kennt (fast) jeder: Das Selbst(-zu-)bereitete, eigenhändig Gemachte, was auch immer es sein mag, real-materiell oder symbolisch-abstrakt, hat den subjektiv größeren Wert gegenüber dem Geschenkten, Kostenlosen, Hingeworfenen oder gar Bezahlten. Das hat etwas mit kognitiver Dissonanz zu tun und mit der Rechtfertigung vor dem Selbst, aber das ist eine andere Geschichte. Wichtig ist: ich "investiere" z.B. Zeit, Geld, Aufwand, Mühe, Arbeit, um am Projekt teilnehmen zu können. Es gewinnt Sinngehalt in meinem Leben, es wird zu einem Bestandteil davon.
Es ist, um einen konkreteren Vergleich zu finden, als baute ich an einem Haus für mich, in dem ich lange Jahre leben will gegenüber dem geschenkten Einzug in ein Haus, das für mich fertig bereit gestellt wurde und das auch ersetzt werden kann.

Pädagogische Verflechtung

Und diese Erklärung verquickt sich ziemlich leicht mit der pädagogischen Zielführung der Entwicklungszusammenarbeit im Sinne des Weltwärtsprogramms. Das Programm stellt heraus (Link zur Weltwärts-Richtlinie; pdf-Datei), dass es um eine sogenannte Multiplikation geht, d.h. einer Vervielfältigung der Erfahrung und des Wissens der Freiwilligen im Herkunftsland (!), also hier in Deutschland, nicht etwa mit dem Anspruch der Entwicklungshilfe im Zielland (ebenfalls eine andere, durchaus umstrittene Debatte).
Die Konsequenz eines solchen Auslandsaufenthalts ist sicher nicht nur die eigene Bereicherung (wenngleich auch ich dieser kritischen Argumentation zustimme - in Maßen, jedoch nicht absolut). Aber die Erfahrungen, die ich publik mache - in persönlichen Gesprächen, vielleicht auch teilöffentlichen Diskursen (wie z.B. über diesen Blog), Nachbereitungsseminaren, eigenen Seminaren, in ehrenamtlicher (Bildungs-)Arbeit und in jedem Austausch, in dem politisches Geschehen unter dem Zeichen der Globalisierung diskutiert wird, werde ich Stellung beziehen mit Verweis auf meine Erfahrungen in einem anderen kulturellen Raum. Einem Raum, den ich derzeit noch nicht persönlich kenne, aber durch weltwärts kennen lernen werde.
Diese Worte - im Voraus, wie in diesem Eintrag, sowie im Nachhinein - werden andere einbeziehen und sie z.T. neu auf politisches Weltgeschehen aufmerksam und dafür sensibel machen. So die Hoffnung. Und wenngleich diese Hoffnung und die etwaigen Konsequenzen nicht messbar sind, so erlaube ich mir schon jetzt zu sagen, dass ich mit mir nahe stehenden Personen eine weitaus lebhaftere Südafrika-Freiwilligendienst-Privilegien-Debatte erlebe als ich sie je zuvor gehört noch geführt habe.

Deshalb das Geld. Deshalb die Beschaffung durch mich. Deshalb meine Bitte. 


Ich habe nicht vor, von wenigen "Auserwählten" Dauerspendenaufträge zu erbitten. Keinesfalls. Ich suche viele Mäzene, die mit einer Kleinigkeit von ein paar Euros dem Projekt auf die Beine helfen.
Derzeit arbeite ich in der Gastronomie, um einen größeren Eigenanteil beizusteuern (circa €700-900). Hinzu kommt, dass ich ein Postkartenprojekt umsetzen möchte. Das hört sich hochgestochen an, bedeutet aber schlicht, dass ich Postkarten klebe (mit gesammelten Motiven und eigenen Fotos), die ich für 3 Euro verkaufen werde, sodass jede verkaufte Karte einer Kleinstspende entspricht (eine Minimalauswahl der Motive - hier).**
Ich werde mich an öffentlichen Orten postieren, mit Kuchen locken und darauf hoffen, dass möglichst viele dieser Karten gegen Münzen getauscht werden. 

Neben den Postkarten kann auch jeder andere spenden. Die Daten sind in der rechten Leiste des Blogs zu finden. Diejenigen, die mich jeden Monat unterstützen möchten, bitte ich darum, mich vorher zu kontaktieren. Ihr bekommt dann das offizielle Welthaus-Formular gesendet.

Noch etwas: Alle Spendeneinnahmen werden hier anonym, aber transparant aufgeführt. Wenn die 1800 Euros erreicht sind, kommen alle weiteren Spendenaktivitäten dem Welthaus zu Gute - was nichts Schlechtes bedeutet, sondern die ohnehin hohe Qualität der dortigen Arbeit und anderer Projekte unterstützt.

So far.
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*Als Index hat das BIP pro Kopf und pro Jahr einige Tücken, denn es ist eben ein einigermaßen kompliziert errechneter Mittelwert und kann demnach nur ausdrücken, wie groß der Gesamtwert aller Güter war, die dem Endverbrauch dienten und im Land hergestellt wurden. Dabei beachtet das BIP nicht Muster der Verteilung und zeigt auch nicht, wie viel real bei jedem im Land Wirtschaftenden ankommt. Das BIP ist also eher ein idealistischer, der Konvention nach gepflegter, aber auch häufig zitierter Wert.
Dass es in Südafrika dennoch circa 25 Prozent der Bevölkerung (absolut circa 12,5 Mio. Einwohner) nicht schafft über die Grenze der Armut ($1,25/Tag) zu gelangen, zeigt das BIP nicht - ist jedoch eine ebenso wichtige Information (vgl. aber Mosambik mit 75 Prozent der Bevölkerung, die unter $1,25/Tag leben; absolut circa 17,5 Mio. Einwohner). Eine andere wichtige Information, die das BIP nicht aufdeckt, ist, dass von denjenigen, die mit weniger als $1,25/Tag auskommen müssen beinahe 100 Prozent People of color sind.

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**Zusätzlich ist jede Postkarte mit einer Kodierung auf der Rückseite und der Webadresse dieses Blogs versehen. Die Kodierung kann optional (bei noch größerem Spendenwillen) für den Verwendungszweck eines Überweisungsträgers genutzt werden, um mein Konto zu erreichen. Mittels der Kodierung bzw. dem Verwendungszweck weiß ich um welches Postkartenmotiv es sich handelt. Dieses Motiv wird sodann als Bild für einen Blogeintrag online erscheinen und wird erweitert um einen Wortbeitrag.
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2012-06-13

Das Dazwischen I

Die Verbindung von Zentrum und Peripherie: Straßen. Autos. Fahrräder. Bahnen. Menschen. Ich. Dazwischen.

Es gab bereits in der Mitte des Maimonats ein Seminar in Bielefeld, das ich besuchte. Fünf Tage, die voller Themenblöcke waren, vor Information und Diskussion trieften. Konkretes? "Ängste und Erwartungen". "Liebe, Romantik, Sexualität, Freundschaft". "Deutschlandbilder". Die Entwicklung des Begriffs der Entwicklung". Viele junge Menschen versuchten Worte zu finden für ihre Gedanken und ich unter ihnen. Nicht, dass ich mich nicht zugehörig gefühlt hätte - aber die Tage wurden mir zu lang.
Mittlerweile sehe ich mich einer weiteren Vorbereitungswoche des Welthauses gegenüber: ab Freitag werde ich wieder in Bielefeld sein und bis zum darauf folgenden Dienstag ein länderspezifisches Seminar besuchen, das mir Südafrika und Mosambik näher bringen soll.
(Eine daten- und Abschieds-wichtige Information, die ich schon berichten kann: ich werde am 25. August von Berlin über London nach Johannesburg fliegen und am 26. August ankommen. Für alle en detail und IATA-abgekürzt: TXL to LHR 25.8. 14.30 Uhr, LHR to JNB 25.8. 21.20 Uhr, Arrival at JNB circa 26.8. 9.05 Uhr - kein Zeitzonenwechsel.)

Wenn ich erinnerungslückenfrei auf die Zeit des Dazwischen zurück blicke, so finde ich derart Vieles, was geschah, das ich gar nicht  mehr weiß, was ich eigentlich darüber sagen soll.

Intermezzo. In der letzten Zeit wachte ich häufiger ziemlich früh auf, fiel heraus aus dem Rahmen meiner Träume und stolperte über die letzten Fetzen meiner Fantasie. Ein rekurrierendes Thema: dieser Blog und meine künftigen Äußerungen, quasi-fertig im nächtlichen Geist, druckreif und verkündbar, und dann, während des Wachwerdens wie Sand, der durch meine Finger rann. Gewiss keine ungewöhnliche Erfahrung für die Allermeisten, common sense, etwas, worüber es nicht zu sprechen lohnt.
Aber die Auskunft, die ich daraus entnehme, die ich verknüpfe mit meinen Gedanken zum Thema verbaler Entäußerung, ist das Was-Wie-Warum-&An-Wen-Schreiben. Klassische Fragen der Blogosphäre, nicht wahr?!
Der tatsächlich aus dem letzten Traum exzerpierte, dazugehörige Satz lautet: Zwischen dem Machen und dem Denken unterscheiden! Eine Aufforderung an mich. Ich beginne mit dem Machen.

Kurz nach dem ersten Seminar folgte ich der Einladung meiner Eltern zum Radfahren im Tauber- und Altmühltal, einem Geschenk zum Studienabschluss.
Die beiden Flussebenen befinden sich in Franken/Bayern. Wir fuhren mit dem Auto nach und starteten per Fahrrad in Rothenburg und endeten in Regensburg. 300 Kilometer in acht Tagen - was sich gemächlich anhört, verlangte dennoch Trittfestigkeit und Glück, Letzteres bezogen auf das uns gewogene Phänomen des Wetters. Denn kein Regen ließ uns unter Brücken Zuflucht suchen, keine Wolken trübten den romantisch-inspirierten Blick auf alte Burganlagen und die Farbe des allabendlichen Weins. Durch die als Gesamtpaket gebuchte Reise entfiel ebenfalls das Mitführen irgendwelcher Gepäckstücke auf den Rädern, außer den üblichen Vesperprodukten, da ein Bus sich unserer Taschen oder Rucksäcke annahm und von Übernachtungsstätte A nach B fuhr, am folgenden Morgen in B aufpickte, was an C zu übergeben war usf.
Die Tage vergingen schnell, die Nächte noch schneller und ich hatte das Gefühl, mit diesen Umständen einverstanden zu sein. Am reisenden Ende angelangt, nach den erschöpfenden Kilometern des Tages und vielen superben Gerichten der lokalen Küchen am Abend, nach nicht stattfindenden Gesprächen über Marx und Engels am Morgen, jedoch gekonnt vollendeten Konversationen über Fahrradtechniken und -ausrüstungen und dem Konsens über die Unangemessenheit, ein Rad als Mountainbike zu deklarieren, obwohl es das komplette Gegenteil, Typ Cityrad, war; der Künstlichkeit von nationalstaatlichen Grenzen mit Blick auf die Zugehörigkeit der fränkisch-bayerischen zu österreichischen in Abgrenzung zu brandenburgischen oder gar pommerschen Traditionen bis hin zu etwaigen Prinzipien oder Grundlagen des Eurovision-Songcontests, ließ ich mir die zu lang gewordenen Haare schneiden. Es waren gute Tage.

Seit dieser Rückkehr wiederum: weitere Südafrika-Vorbereitungen (davon ein ander Mal mehr). Und: die Ausführung einiger Haushaltsdinge, Erledigungen, die ich meinen Eltern abnehmen kann, ebay-Verkäufe, das Rasenmähen, denn Ordnung muss sein, genauso wie das Backen von Kuchen und das parallele bzw. antizipative Vor- und Abtrainieren dieser kalorienreichen Köstlichkeiten.
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